Transnationale Erinnerung
Natzweiler: Spuren/Traces“ des LAD BW im Haus der Wirtschaft 2018 (© CMS)
Erinnerungsgeschichte
Das KZ-Hauptlager Natzweiler in den Vogesen und die zahlreichen KZ-Außenlager in Südwestdeutschland waren Schauplätze nationalsozialistischen Terrors, in denen Menschen aus rund 30 Staaten inhaftiert waren, litten und starben.
Waren es in den ersten Jahren nach Kriegsende in Deutschland vor allem Überlebende und deren Angehörige, die sich für ein würdevolles Gedenken an die Opfer einsetzten und erste Mahnmale errichteten, etablierte sich ab den 1980er Jahren eine überwiegend zivilgesellschaftlich getragene Gedenk- und Erinnerungskultur, die die Schrecken des NS-Terrors erforscht und dokumentiert, der Opfer gedenkt und an die Geschichte der Lager erinnert – wobei die Leidenswege der Verfolgten im Zentrum des Erinnerns und Gedenkens stehen. In Baden-Württemberg und Hessen erinnern zahlreiche Mahn- und Denkmale, Tafeln sowie Gedenkstätten mit Dauerausstellungen an die Geschichte der Natzweiler-Außenlager.
In Frankreich wurde das Gelände des KZ Natzweiler schon 1949 dem Ministerium für Kriegsopfer und Veteranen unterstellt, welches dort eine Gedenkstätte errichtete, die 1960 von Staatspräsident Charles de Gaulle eingeweiht wurde. 2005 wurde die Gedenkstätte um das Europäische Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers (Centre Européen du Résistant Déporté, CERD) ergänzt, das dem staatlichen Office National des Anciens Combattants et Victimes de Guerre (ONaCVG) untersteht und wertvolle Erinnerungsarbeit am Ort des einstigen Hauptlagers leistet.
Wenngleich sich die erinnerungskulturellen Entwicklungen in Frankreich und Deutschland unterschiedlich gestalteten, hat das Gedenken und Erinnern auf beiden Seiten des Rheins allein schon aufgrund der internationalen Häftlingsgesellschaft des KZ-Komplexes Natzweiler seit jeher eine europäische Dimension. Überlebende und deren Familie aus vielen Ländern kehrten immer wieder an die Orte des Leidens zurück und gedachten dort der Opfer. Es finden internationale Gedenkfeiern und Begegnungen statt, die im Zeichen des Austauschs, der Versöhnung und Verständigung standen und stehen.
Einzelne Gedenkstätten in Baden-Württemberg kooperierten anlassbezogen immer wieder mit der Gedenkstätte Natzweiler-Struthof. Ab Beginn der 2010er Jahre entwickelten sich daraus gebündelte deutsch-französische Gemeinschaftsprojekte, die die transnationale Zusammenarbeit auf eine neue Stufe hoben: 2014/15 erarbeitete das CERD in Kooperation mit den baden-württembergischen Außenlager-Gedenkstätten die zweisprachige Wanderausstellung “Bientôt la liberté nous reviendra/Freiheit, so nah, so fern – Das doppelte Ende des Konzentrationslagers Natzweiler/La double fin du camp de concentration de Natzweiler“, die an über 40 Orten auf beiden Rheinseiten gezeigt wurde. Im Dezember 2015 fand ein erstes deutsch-französisches Colloquium zum KZ-Komplex Natzweiler in Paris statt, an dem mit Pierre Rollinet, Yves Meyer und Jean Samuel auch vier Überlebende der Lager teilnahmen.

Vertreter:innen baden-württembergischer KZ-Gedenkstätten mit Sibylle Thelen (LpB) und Frédérique Neau-Dufour (damals Direktorin des CERD) beim Colloquium in Paris 2015. © CERD
Seit der Gründung des VGKN e.V. im Jahr 2016 wurde die deutsch-französische Zusammenarbeit kontinuierlich ausgebaut und verstetigt. CERD und VGKN arbeiten im Bereich der Erinnerungskultur, der Forschung sowie der Vermittlungsarbeit eng zusammen und führen regelmäßig Gemeinschaftsprojekte durch. Heute bilden die deutschen und französischen Gedenkstätten ein grenzüberschreitendes Netzwerk, das sich der wichtigen Aufgabe widmet, die Erinnerung zu bewahren und sich zugleich der Friedens-, Versöhnungs- und Menschenrechtsarbeit zu widmen.
Für diese transnationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erinnerungskultur wurden dem CERD und dem VGKN (einschließlich der Einzelgedenkstätten) im Jahr 2018 gemeinsam das Europäische Kulturerbe-Siegel verliehen.