Tagungsbericht VGKN-Kolloquium 2022 in Rastatt

Tagungsbericht zum VGKN-Kolloquium 2022

Natzweiler: Netzwerke in Geschichte und Gegenwart

Natzweiler : des réseaux dans le passé et le présent

 

Vom 28. bis zum 30. Oktober 2022 fand das deutsch-französische VGKN-Kolloquium 2022 „Natzweiler: Netzwerke in Geschichte und Gegenwart / Natzweiler : des réseaux dans le passé et le présent“ in Rastatt statt.

Gefördert wurde das Projekt durch: die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, die französische Fondation pour la Mémoire de la Shoa und der Stiftung Zeitlehren aus Karlsruhe.

 

Für das Kolloquium wurde eine adäquate stets aktuelle Informationsfläche geschaffen, indem die eine zweisprachige Kolloquiums-Website erstellt wurde, die unter https://www.vgkn-kolloquium-2022.eu/ für ein Jahr lang abrufbar sein wird. Dort finden sich Information zum VGKN-Team, dem Programm, eine Anmeldemöglichkeit (welche nach Anmeldeschluss durch das Menü „Tagungsmaterial“ ersetzt wurde), die Tagungsdokumentation, die Projektförderer, die Natzweiler Webseiten und eine Kontaktmöglichkeit.

Es nahmen im Rahmen der Tagung insgesamt 47 deutsche und französische Teilnehmer*innen und 10 Referent*innen, zwei Dolmetscherinnen und ein Konferenztechniker teil.,

Die Vorträge wurden in deutscher und französischer Sprache gehalten und simultan übersetzt.


Um den Teilnehmer*innen eine große Bandbreite an Informations- und Arbeitsmaterialien anzubieten, wurde vor Ort im Konferenzsaal und im Foyer der Rastatter Bildungseinrichtung die zweisprachige Wanderausstellung Natzweiler – „Bientôt la liberte: nous reviendra / Freiheit – so nah, so fern“ aufgebaut, zudem wurden die wichtigsten Publikationen zum Themenkomplex Natzweiler als Ansichtsexemplare zur Verfügung gestellt, die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg steuerte vielfältige Arbeits- und Werbematerialien bei die kostenfrei verteilt wurden, darunter auch die neue Auflage der Natzweiler Handreichung.


Am ersten Tag, Freitag, den 28.10.2022, wurde das Kolloquium durch den ersten VGKN-Vorsitzenden Dr. Marco Brenneisen eröffnet. Ihm folgte eine Ansprache durch den Direktor des CERD (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers, frz. Centre Européen du Résistant Déporté, CERD), Guillaume d`Andlau, der die wichtige Zusammenarbeit der beiden Länder hervorhob.


Daraufhin übernahm erneut Dr. Marco Brenneisen, um die Auszeichnung von Prof. Dr. Robert Steegmann mit dem Landesverdienstorden des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2021 in einer kurzen Ansprache zu würdigen. Die feierliche Zeremonie musste seinerzeit aufgrund der Coronabedingungen ausgesetzt werden. Prof Dr. Robert Steegmann wurde ein Blumenstrauß überreicht und er begann seinen Vortrag zur Entstehung der Idee einer Natzweiler Häftlingsdatenbank.


Grundlage der Datenbank sind seine 30-jährigen Forschungen als auch die über Jahre und Jahrzehnte gesammelten Daten zu ehemaligen Häftlingen aus den Natzweiler-Gedenkstätten. Unter dem Titel „Wir waren 52.000 / Nous étions 52 000″ stellten der Datenbankersteller André Heck mit Prof. Dr. Robert Steegmann eine Betaversion der digitalen Natzweiler Häftlings-Datenbank vor. Die erste von derzeit geplanten drei Entwicklungsstufen ist öffentlich zugänglich. Hier kann nach ehemaligen Häftlingen gesucht werden, allgemeine Daten werden angezeigt. Mittels eines Forscher*innen-Antrags kann die Datenbank komplett frei geschaltet werden, so dass auf weiterführende Informationen (Quellenangaben, sensible Daten wie beispielsweise Häftlingskategorie usw.) zugegriffen werden kann. Im Aufbau befindet sich die zweite Phase, eine objektrelationale Datenbank. Dabei sollen digital anzeigbare Quellen, wie beispielsweise Briefe, Fotos und dergl.  eingespielt werden. In einer dritten Stufe soll es ermöglicht werden historische Ereignisse mit den Lebenswegen der Häftlinge zu verknüpfen. Der aktuelle Stand der Datenbank ist online abrufbar unter: http://www.natzweiler-database.eu/


Tag 2, 29.10.2022

Am zweiten Konferenztag führte der zweite VGKN-Vorsitzende Dr. Tobias Markowitsch in die Thematik ein. Dr. Stefan Hördler der Universität Göttingen/University of Huddersfield und beleuchtete in seinem Vortrag das Personalsystem der SS von 1941 bis 1945 im Lagerkomplex Natzweiler. Er zeigte Netzwerke und Seilschaften im KZ-System auf und identifizierte das KZ Lichtenburg als Ausgangspunkt zahlreicher persönlicher Beziehungen. Seine Ergebnisse stellen dabei die Linearität der Entwicklung im KZ-System infrage und ermöglichen es, SS-Karrierewege besser nachzuvollziehen.

Die ehemalige Leiterin des CERD führte in den nächsten Vortrag ein und übernahm den Vortragsteil von Herrn Loic Lutz, der aufgrund Krankheit, nicht anwesend sein konnte. Mit ihr präsentierte Dr. Gabriele Moser (Université Strasbourg) die Arbeitsergebnisse der unabhängigen historischen Kommission zur Erforschung der Geschichte der Medizinischen Fakultät der Reichsuniversität Straßburg. Ein besonderes Augenmerk galt den Beziehungen zwischen der Medizinischen Fakultät und dem Konzentrationslager Natzweiler, die durch die Forschungen aufgedeckt wurden. In diesem Zusammenhang verwies sie etwa auf die Verlegung kranker Häftlinge nach Straßburg, biomedizinische Forschungen und regelmäßige Korrespondenzen zwischen Konzentrationslager und Reichsuniversität. Diese verflochtene(n) Geschichte(n) steht bzw. stehen, so Dr. Moser, im Gegensatz zum vorherrschenden Bild eines hermetisch abgeschotteten Konzentrationslagers. Der vollständige Bericht ist einsehbar unter: https://www.unistra.fr/fileadmin/upload/unistra/universite/historique/Rapport_final_Reichsuniversitat_Strassburg_corr.pdf

Das Panel schloss mit Marlene Kottmann (Universität Freiburg). Sie referierte über die juristische Aufarbeitung der Geschichte von Natzweiler im Zuge der Rastatter Prozesse. Diese alliierten Prozesse wurden in der französischen Besatzungszone abgehalten und haben bislang kaum Aufmerksamkeit erfahren. Im Vortrag ging Marlene Kottmann insbesondere auf die Grundlagen und Anfänge der Strafverfolgung ein sowie auf rechtliche Problematiken.

Im Anschluss an den Vortrag erhielten die Konferenzteilnehmenden eine Führung durch die Räumlichkeiten der Rastatter Prozesse im ehemaligen Residenzschloss durch Dr. Elisabeth Thalhofer (Bundesarchiv-Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte).


Tag 3, 30.10.22

Nach den Einblicken in die vielfältigen Forschungsprojekte lag der Fokus am letzten Tag des Kolloquiums auf der pädagogischen Vermittlungsarbeit. Angelina Schaefer und Christopher Gomer vom Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945 präsentierten das Lernangebot „Geschichte erinnern – Erinnerungsgeschichten“, welches in Kooperation mit dem VGKN erstellt wurde. Das Angebot richtet sich insbesondere an jugendliche Projektgruppen, welche sich außerhalb des Schulkontexts mit den Außenlagern des KZ Natzweiler auseinandersetzen. Insgesamt umfasst die Handreichung acht Einheiten à 90 Minuten. Der Aufbau erlaubt es aber auch, nur einzelne Bausteine zu übernehmen, und bietet individuelle Gestaltungsspielräume. Das Lernangebot ist kostenlos verfügbar unter: https://www.vgkn-kolloquium-2022.eu/_files/ugd/468d83_121e7825ce3d4f5d957e640dccfcf3a2.pdf

Aus den Rückmeldungen der Teilnehmer*innen der Tagung wurden nicht nur die Vorträge gelobt, sondern auch die eingeplanten Pausen und gemeinsamen Abendessen, in deren Anschluss wichtige Vernetzungsarbeit stattfand. Ein weiteres Kolloquium in diesem Format wurde von allen Seiten als wünschenswert erachtet.

Geplant ist eine vollständige Tagungsdokumentation, die am 31.03.2023 auf der Website des VGKN-Kolloquiums eingestellt werden sollte. Nach der Veranstaltung entstand ein einzigartigen Angebots den Tagungsband in der unter Historikerin hoch angesehenen „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“ https://metropol-verlag.de/produkt-kategorie/zeitschriften/zeitschrift-fur-geschichtswissenschaft/ des Metropol-Verlags zu publizieren. Diese in deutscher Sprache erscheinde Publikation soll ins Französische übersetzt werden und auf der Kolloquiums-Website als Download zur Verfügung gestellt werden.